Ein Workcamp im Freilichtmuseum macht Lust auf alte Handwerksberufe.
Handwerksberufe sind alt und immer neu und werden auch noch grün. Wenn Jugendliche alte Arbeitstechniken im Lehm- und Fachwerkbau kennenlernen, staunen sie über deren „Weiterleben“ in der ökologischen Bausanierung und im modernen Hausbau. Und bekommen dabei Lust aufs Handwerk.
So war der Plan und unser Arbeitsziel war ein Lehmbackofen mit einer Überdachung im Holzständerbau für den Netzwerkgarten in Waldbröl. Der Garten ist ein gemeinnütziger Bürgergarten für Jedermann und hat vom mach Grün!-Projekt bereits ein Stück Gartenzaun gebaut bekommen.
Während des Workcamps wurde am Lehmbackofen in Waldbröl gearbeitet und inmitten der Fachwerkhäuser und alten Handwerksbetriebe im LVR-Freilichtmuseum Lindlar gelebt. Dort konnte man abends Lagerfeuer entfachen, kochen, Musik und Sport machen und Besuch empfangen von Leuten, die beruflich „grüne Wege“ gehen und davon erzählen.
Im Museumsmodul „Lehm- und Fachwerkbau – Alte Technik, neue Wände“ wurden wir in eine alte Bautechnik eingeweiht und brachten mit Weidenrutengeflecht und gestampftem Lehm eine Fachwerkwand zustande. Hoch motiviert und sehr geschickt entwickelten vor allem die Jugendlichen aus Afrika und dem Nahen Osten sehr viel Ehrgeiz dabei, die „Facher“ mit Weidenruten zu verflechten und mit gestampftem Lehm zu verputzen. Manchen von ihnen war die Lehmbauweise aus ihrem Herkunftsland tatsächlich noch geläufig und sie staunten darüber, dass Lehm hierzulande zur Zeit eine Renaissance im Innenausbau erlebt, während in ihren Herkunftsländern Blech und Beton beim Hausbau eine große Rolle spielen.
Das haben wir gelernt: Lehm ist ein ökologisch einwandfreier Baustoff und mit besten Eigenschaften fürs Raumklima ausgestattet. Lehm wurde schon immer verwendet, um Fachwerkhäuser zu bauen, Wände zu verputzen, zu streichen oder eben auch Backöfen zu bauen. Lehm ist ein viel nachhaltiger, gesünderer und umweltfreundlicher Baustoff als andere moderne Baustoffe.
Wie kann eine Gruppe Jugendlicher aus Lehm, Stroh und Steinen einen funktionstüchtigen Backofen bauen, der später einmal mit Holz befeuert wird und in dem man Pizza, Brötchen, Brot, Kuchen etc. ganz ohne Strom oder Gas backen kann? Der Ofenbauer Stefan Theis und seine Helfer wissen, wie es geht und verteilten die Aufgaben: Lehm anmengen, stampfen, kneten, rollen, anklatschen, verstreichen – alles Hand- und Fußarbeit und eine wahre Schlammschlacht mit viel Spaß.
Gegen Regen braucht der Lehmbackofen eine Überdachung. Auch hier kam nur ein natürlicher Baustoff in Frage, nämlich ein Holzständerwerk mit Ziegeleindeckung. Die Jugendlichen ließen sich begeistert vom Waldbröler Zimmerer- und Dachdeckermeister Knieper in die Bedienung der Werkzeuge und Maschinen einweisen und schufteten unter Zeitdruck an der Fertigstellung. Als sie am Ende des Workcamps erst ein kleines Richtfest feierten und anschließend in einer langen Kette die Dachziegel anreichten, war der Stolz über ihr Bauwerk groß.
Nach so viel altem Handwerk hieß es „umswitchen“ auf moderne Arbeitswelt am Bau: Auf einer Exkursion wurde das „Energiehaus Oberberg“ von Bernhard Junge besichtigt, in dem die Strom- und Wärmeerzeugung über erneuerbare Energien im Vordergrund steht. Der Energieberater und Hausbesitzer vermittelte den Jugendlichen seine Leidenschaft fürs Elektro-Handwerk, für Photovoltaik, Wärmepumpen und Smart Home-Technik. Wie in vielen anderen Berufen auch, vermissen die Handwerksmeister tatkräftige Jugendliche, die die Chance auf Ausbildung in einem interessanten und ökologisch sinnvollen Berufsfeld ergreifen wollen. Und, oh Wunder, in diesen modernen Räumen waren die Wände mit Lehmputz wohnlich gestaltet, denn Lehm nimmt die Feuchtigkeit sowohl aus den Wänden als auch aus der Raumluft. Schimmel hat keine Chance. Schönes Beispiel für „Alte Technik, neue Wände“.
Auch die Holzblockhäuser aus massiven Nadelholzstämmen, die wir bei dem Fertighaushersteller Fullwood besichtigten, taten es uns an. Holz ist der nachwachsende Rohstoff schlechthin und seine Verarbeitung zu schönen, langlebigen, gesunden Häusern regte manche von uns zum Träumen vom eigenen Traumhaus an. Neben den Ausbildungen im Zimmerer- und Tischlerhandwerk ging es hier auch um Berufe wie Bauzeichner, Architekten, Statiker und Kaufleute im Vertrieb, die uns vorgestellt wurden.
Handwerk auch in der Freizeit: Wer sich im Laufe der Workcampwoche aus einem großen Nagel ein Messer geschmiedet hatte, mit tollem Leder umwickelten Holzgriff aus Besenstiel, hatte beim Abschiedsessen am mobilen Pizzaofen das richtige Werkzeug zum Schneiden in der Hand. Das wollten natürlich alle.
Fazit: Im Handwerk tun sich interessante Berufswelten auf. Die „Handarbeit“ funktioniert meistens nur mit speziellem Werkzeug und elektrischen Maschinen, manchmal auch mit computergesteuerten Robotern, deren Bedienung richtig Spaß macht. Wir haben erstaunlich innovative Technik erlebt, wie das Smart-Home, und ganz traditionell mit unseren Händen gearbeitet. So also ist es im Handwerk. Nun steht im Bürgergarten ein überdachter, funktionstüchtiger Lehmbackofen, der allen Bürgern des Ortes als Gemeinschafts-„Backes“ zur Verfügung steht, und uns, wenn wir unser Nachtreffen veranstalten.